Das einzige Kind by Anne Holt

Das einzige Kind by Anne Holt

Autor:Anne Holt [Holt, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Sie hatten Glück und erwischten nach nur zehn Minuten Warten einen Dienstwagen. Und das war so etwas wie ein Rekord.

Die Wohnungstür war abgeschlossen, genau wie Maren Kalsvik gesagt hatte. Im Spalt zwischen Türblatt und Rahmen konnten sie sehen, daß das Sicherheitsschloß nicht benutzt worden war, auch das stimmte mit Maren Kalsviks Aussage überein. Hanne Wilhelmsen steckte die Hand in die Tasche, fischte ein Papiertaschentuch heraus und versuchte, auf die Klinke zu drücken, ohne sie allzusehr zu berühren. Erik Henriksen sah ihr erstaunt zu.

»Nur so zur Vorsicht«, beruhigte sie ihn.

Sie hatte eine verschlossene Tür und einen seit drei Stunden vermißten Erwachsenen. Das reichte bei weitem nicht für eine amtliche Erlaubnis, die Tür aufzubrechen. Wäre ihr treuer Kollege, Polizeiadjutant Håkon Sand nicht so verdammt modern 146

gewesen, ein ganzes Jahr Erziehungsurlaub zu nehmen, dann hätten sie es hintricksen können. Jetzt hatte Hanne keine Ahnung, welcher Adjutant Dienst hatte. Und sie brauchte einen Juristen, um die Wohnung betreten zu können.

Betreten mußte sie sie. Was Maren Kalsvik ihr mit

tränenerstickter Stimme im Laufe einer halben Stunde wild durcheinander erzählt hatte, war dermaßen aufsehenerregend, daß es für einen Haftbefehl fast schon ausreichte. Aber der Versuch, einem Juristen per Telefon zu erklären, daß ein phantastisches Motiv aufgetaucht war und daß ein möglicher Täter sich am Schauplatz von Agnes Vestaviks traurigem Dahinscheiden aufgehalten hatte, erschien ziemlich hoffnungslos. Andererseits: Vielleicht stand hier ein Leben auf dem Spiel.

Sie bat Erik, vor der Tür stehen zu bleiben, aber nichts anzufassen. Sie selbst ging zum Auto und hatte nach einigem Hin und Her den zuständigen Juristen an der Strippe. Sie hatte Glück. Er war alt, reichlich erschöpft und mit allen Wassern gewaschen. Er begriff, gab grünes Licht und reichte sie an die Kripo weiter. Die versprach, daß in einer halben Stunde Verstärkung eintreffen werde.

Die Verstärkung tauchte nach einer Dreiviertelstunde auf.

Aber das Warten hatte sich gelohnt. Zwei schweigsame Männer, die wußten, was sie taten, und die sich ohne Wenn und Aber mit einem soliden Rammbock auf einer schweren quadratischen Eisenplatte mit Griffen für vier Paar Hände vor der Tür aufstellten. Hanne und Erik stellten sich hinter sie.

»Und eins, und zwei, und DREI«, sagte der eine Polizist, während sie den Rammbock hin und her schwangen und ihn bei

»drei« gegen die Tür wuchteten.

Das Holz hatte keine Chance. Die Tür knackte, ließ hilflos den Rahmen, der sie festhalten wollte, los und kippte in die Wohnung. Vor der nur anderthalb Meter entfernten

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gegenüberliegenden Wand blieb sie hängen. Hanne Wilhelmsen schob sich daran vorbei und betrat die Wohnung.

Der Flur war leer. Auch das Wohnzimmer war leer. Sie blieb einen Moment lang stehen und musterte die typische Junggesellenwohnung, die Möbel waren bunt

zusammengewürfelt, vor einem Fenster fehlten die Vorhänge, und es war nicht einmal der Versuch gemacht worden, irgendeine Art von Gemütlichkeit zu erzeugen. Keine Bilder an der Wand, keine Topfblume. Das Spülbecken war voller benutzter Gläser.

»Hanne, komm her!« rief jemand vom Flur her.

Drei Männerrücken versperrten die Tür zum Badezimmer. Sie stupste den hintersten Rücken an, und die drei wichen langsam zur Seite.

Sie stieß einen leisen Pfiff aus.

Terje Welby saß auf dem Toilettendeckel.



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